„Künstlerspur Leipzig“ würdigt 100.Geburtstag
Eine „Urgewalt“ sei er gewesen, „schon, wenn er durch die Tür stürmte“, sagte Hans Aichinger; Johannes Heisig nannte ihn einen „Giganten“, mit dem er sich lebenslang auseinanderzusetzen hatte; Neo Rauch, der sich immer nach einem Vater gesehnt hatte, sah in Bernhard Heisig eine „altväterliche Respektsperson“ und einen „kommoden Diktator mit hohem Durchsetzungspotential“. Drei der bekanntesten deutschen Maler tauschten sich mit Thomas Loest zunächst über das Vater-Sohn-Verhältnis und dann über ihr persönliches und künstlerisches Verhältnis zu Bernhard Heisig aus. Alle drei Maler waren Meisterschüler des Jahrhundertmalers und sind schließlich malerisch ganz individuelle Wege gegangen. Der Kunstwissenschaftler Dr. Philipp Freytag, Mitkurator der Ausstellung des Museums der bildenden Künste Leipzig zu Heisigs 100. Geburtstag, führte eingangs zu Heisig hin.


Hans Aichinger sah in Bernhard Heisig als Rektor der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst „ein Spiegelbild der Gesellschaft“ und rechnete es ihm hoch an, dass er „die Hochschule frei von politischen Bekundungen hielt, wenngleich auf Gutsherrenart und mit einer ausgesprochenen Liebe zur Macht“. „Heisig, Mattheuer, Tübke und Müller schufen an der Hochschule ein eigenes freies Klima. Es waren Glückszeiten für die Hochschule“, so Johannes Heisig Biografie. Neo Rauch fand Heisigs Rat hervorragend: „Nehmen Sie jeden Auftrag an und machen Sie Ihr eigenes Ding draus.“

Johannes Heisig erinnerte daran, dass sein Vater eingeladen wurde, in der Bundesrepublik zu arbeiten. Das lehnte er ab, „weil er sein Ego ins Spiel bringen wollte, um etwas zu bewegen. Mein Vater war auf Konfrontation gebürstet und wollte Spuren hinterlassen. Er definierte seine Kunst aus der Konfrontation heraus.“ Nach 1990 sei das Interesse des Westens an Heisigs Kunst erkaltet.
Die Lehrmethoden Bernhard Heisigs seien sehr unkonventionell gewesen, erinnern sich alle drei Maler.
Hans Aichinger beschrieb es so: „Heisig veranlasste uns Meisterschüler, unser Lieblingsbild zu nennen. Und dann tat er so, als kenne er das Bild nicht und ließ es uns mit Worten beschreiben. Ganz genau. Bei Heisig gab es Klärung, kein Geschwafel.“ Zum Entsetzen aller Galeristen änderte Heisig nicht nur in seinen eigenen Bildern, selbst dann noch, wenn sie bereits in Ausstellungen hingen. „Er hat auch in sämtliche Bilder der Studenten hineingemalt“, berichtete Neo Rauch. Johannes Heisig sieht es so, dass „Lehrer und Mensch nicht zu trennen“ waren. Bernhard Heisig wollte immer über Themen sprechen, nie über Malerei. Jede seiner Vorlesungen sei „wie eine Angriffswelle“ über die Studenten gekommen. Er selbst sei „mit dem Kampf und dem Mannhaften in der Heisig-Kunst nicht klargekommen. Ich musste erst lernen, dass Kunst mit Spiel und Spaß zu tun hat.“
Bernhard Heisig betrachtete seine Arbeit so: “Der einzige Kampf des Künstlers im Atelier gilt dem Schicksal, das die Jungen nicht hatten.“ Heisig sprach über sein traumatisches Grunderlebnis des Krieges und die Mitgliedschaft in der SS nicht, öffnete sich erst kurz vor seinem Tod. Er sublimierte es in seiner Kunst. Es war sein Lebenstrauma und sein großes Kunstthema. Ganz anders Erich Loest, der nach Krieg und sieben Jahren in DDR-Gefängnissen „alles offengelegt hat, keine Geheimnisse wachsen ließ“, so Thomas Loest.
Beide Väter, Heisig und Loest, rieten ihren Söhnen bei der Berufswahl.
Bernhard Heisig drillte Johannes, dass er „besser sein muss als jeder andere, denn Du bist ein Heisig. Einzig mein Bruder Walter Eisler hat seinen ganz eignen Stil gefunden. Meiner Malerei ist der Stall anzumerken.“ Erich Loest hingegen riet dem Sohn: „Mach nichts mit Kunst. Du hast in der DDR mit diesem Namen keine Chance.“
Ein sehr persönliches Resümee zog Johannes Heisig: „Bernhard Heisig sah die Welt mit sich als Mittelpunkt. Und er wollte Spuren hinterlassen.“ Und das ist ihm gelungen.
Dieses mit 240 Gästen hervorragend besuchte große Gespräch war die erste Gemeinschaftsveranstaltung der Künstlerspur mit dem Literaturhaus Leipzig in dessen Räumen.
Zu unserer enormen Freude überreichte Bettina Nüdling dem Kernteam der Künstlerspur zu Beginn eine Spende der Sparkassenstiftung Leipzig. Das Geld fließt ausnahmslos in die Gestaltung und das Anbringen von Erinnerungsplaketten an die Künstler, die Leipzig seit 1945 geprägt haben.
Eine nächste Veranstaltung findet bereits am 03.07.2025 im Tanzsaal des Felsenkeller Leipzig statt. Dort gedenken wir des Bloch-Schülers, Philosophen und Schriftstellers Gerhard Zwerenz anlässlich seines 100. Geburtstages.
Auch diese Veranstaltung ist für die Gäste wieder kostenlos, wir freuen uns aber über eine Spende für die Künstlerplaketten.
Dagmar Winklhofer-Bülow
Initiatorin Künstlerspur